Espresso – italienisch

Der heutige Lehrtext:

Das Licht scheint in der Finsternis.

Johannes 1,5

Lux lucet in tenebris – auf Latein. Der Wahlspruch der Waldenserkirche. Vor  über 25 Jahren habe ich sie kennengelernt: es ist die protestantische, reformierte Kirche Italiens. Wir, Theamice und Theomix, waren auf einer christlich-jüdischen Begegnung im Ökumenischen Zentrum Agape. Und dieses Begegnungszentrum ist Teil der Waldenserkirche. Wir waren dann noch öfters dort, zuletzt 1995. Danach haben wir als Touristen mehrere Waldenserhäuser besucht.

Von Anfang an wurde die Waldenserbewegung verfolgt, un d das änderte sich auch nicht, als sich die Reste dieser Bewegung der Reformation anschlossen. Geographisch bedingt dann der Genfer Richtung. Jahrhundertelang blieb sie auf die Waldensertäler in den Piomenteser Alpen beschränkt. Ab Mitte des 19. Jahrunderts konnte sie sich über ganz Italien ausbreiten, heute hat sie ihren Sitz in Rom. Die theologische Fakultät ist in Steinwurfweite vom Vatikan. Ganz in der Nähe ist auch die „Casa Valdese„, ein Hotel, das für Rombesuche nur zu empfehlen ist. Wie überhaupt die Waldenserhäuser in Italien gute, einfache Quartiere für Städtetouren bieten.

Heute hat die Kirche ca. 50.000 Mitglieder in Italien. Durch die konfessionelle Prägung und die konfessionelle Situation hat diese Kirche in vielem eine antikatholische (besser antirömische) Ausrichtung: schlichte Gottesdienste, bilderlose Kirchen. Und auch politisch wählte man die Antipoden: Christdemokratisch hieß in Italien „katholisch“, die Waldenser waren bei Sozialisten und Kommunisten. Heute nennen sich die politischen Lager anders, aber diese Tendenz ist geblieben.

Das Licht scheint, auch durch diese kleine Kirche. Dass Christsein auch Kampf bedeutet – ohne in Verbissenheit zu enden -, das habe ich von den Waldensern gelernt.

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31 Antworten to “Espresso – italienisch”

  1. mialieh Says:

    Es ist schwierig vorstellbar, dass Kampf nicht in Verbissenheit endet, denn jeder Kampf hat ja etwas Verbissenes… und wenn es nur der eigene Überlebenskampf ist…

    • theomix Says:

      Das in Gedankenstrichen hatte ich nachträglich angefügt, weil es mir bemerkenswert erschien und ich die Begegnungen so in Erinnerung habe. Kämpferisch und humorvoll – so ein bisschen wie Asterix.
      Oder würdest du sagen, A. wäre verbissen? 😯

      • mialieh Says:

        Verbissen nicht, aber beharrlich. Man kann beharrlich widerständig sein und verbissen. Bei der Beharrlichkeit würde ich nur den Kampfbegriff nicht wählen, sondern den Widerstandsbegriff… und das würde ich bei dem wenigen, was ich (durch dich) über die Waldenser weiß, auch hier vermuten… 🙂

    • OneBBO Says:

      Da hast du sehr schön in Worte ausgedrückt, was mir unklar durch den Kopf waberte ,-)

    • rotegraefin Says:

      Dazu gehört Geduld (patentia) und Demut (humilitas).
      Beides Eigenschaften, die einem nicht in den Schoß fallen, sondern die einem das Leben im Laufe der Zeit schenkt, wer sich beharrlich um das rechte Leben bemüht.
      Dazu braucht es den unverbrüchlichen Glauben mit Gott eins zu sein, denn dies bedeutet Nachfolge Christi. Alles andere ist theologisches Gesülze und führt von dem Kern des Lebens weit weg.

  2. atemhaus Says:

    In den piemontesischen Waldensertälern war ich zwar noch nicht, aber ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, dessen unterer Dorfteil in der Zeit des 30-jährigen Krieges praktisch ausgestorben war.
    Dort und im Nachbardorf wurden Waldenserfamilien angesiedelt. Noch heute sind die Namen dieser Familien im Dorf sehr präsent. Sie hatten lange einen eigenen Pfarrer und es gab eine welsche Schule (das Piemont war seinerzeit französischsprachig). Die Kirche des unteren Dorfteils ziert noch heute das Waldenserwappen mit dem Wahlspruch „Lux lucet in tenebris“.

  3. Hase Says:

    Lieber Jörg, vielen Dank für den Espresso und die interessanten links. „Das Licht scheint in der Finsternis“ – ja, das habe ich in den dunkelsten Stunden meines Lebens erfahren. Liebe Grüße, Erika

    • theomix Says:

      Liebe Erika,
      die Waldenser kennen das auch. Ende des 17. Jahrhunderts wollten die savoyischen Herzöge das Edikt von Nantes auf ihrem Gebiet umsetzen und haben die Waldenser vertrieben. Daher gibt/ gab es auch Waldensergemeinden in Deutschland und der Schweiz…
      Herzlichen Gruß, Jörg

    • rotegraefin Says:

      Zu wissen, das ein einziges Licht nur in die Dunkelheit schaut, kann schon Trost genug sein, vor allen Dingen wenn Du weißt, dass das Licht, welches Du selber bist von Gott kommt, der mit Dir eins ist, Hase.

  4. Wolfgang Vögele Says:

    Übrigens zieht sich dieser protestantische Widerspruchsgeist auch in die Provence hinein. Wir waren vor ein paar Jahren in Bourdeaux im Departement Drome und fanden in der Umgebung eine ganze Reihe von versteckten reformierten temples im Gegensatz zu den katholischen eglises.

    • theomix Says:

      Das sind dann Hugenotten, oder? Die haben eine sehr ähnliche Geschichte.

      • Wolfram Says:

        Das sind Hugenotten, ja. In den Cevennen sind sie zuhaus (waren sogar dort mal die Mehrheit, es gibt Dörfer, wo ein temple steht, aber keine église), aber auch in der Drôme. Vor allem in den Bergen, Nyons und Dieulefit („Gott hats gemacht“, was für ein Name!), während die Ebene von den Dragonern ent-hugenottisiert wurde. Und noch heute hört man dort Bemerkungen wie „der Curé hat uns drei Jugendliche geklaut“, und wenn ein „Parpaillot“ (das ist ein ehemaliges Schimpfwort für die Protestanten) eine „Mischehe“ eingeht und die Kinder katholisch getauft werden, gehen viele in Trauer, denn sie haben eine Schlacht verloren…

        Anders als ich es bei den Waldensern (frz. Vaudois, gibt es da eine Beziehung zum Kanton Vaud oder Waadtland?) gefunden habe, gibt es aber bei den südfranzösischen Protestanten sehr viele, für die ihr Protestantismus sich auf das Hugenottenkreuz am Hals beschränkt und auf das Wissen, ihr Urururvorfahre war auf den Galeeren oder in der Tour de Constance bei Marie Durand.
        Das mögen dann Protestanten sein, aber keine Evangelischen…

        • theomix Says:

          „Waldenser/ valdesi“ soll ja mit Petrus Valdus zusammenhängen. Hugenotten und waldenser haben etwas kämpferisches. Das darf uns auch mal zwicken, meine ich…

  5. freidenkerin Says:

    Das Hotel liest sich ja sehr interessant! Ich glaube, es wird wieder einmal Zeit für eine kleine Rom-Reise…

    • theomix Says:

      Wir waren vor 17 Jahren dort, meine Gnädigste vor 2 Jahren mit einer Studienreise. Es ist nach wie vor familiär geführt. Natürlich ist es nicht billig, aber es ist ja auch in Rom. Und mit Herzblut schreibe ich dazu: man unterstützt indirekt eine engagierte, kleine Minderheitenkirche…

      • freidenkerin Says:

        Mit dem kleinen Turmzimmerchen oben auf dem Gianicolo bei den Ursulinerinnen – Preis pro Übernachtung 35 € – wo ich schon zweimal logieren durfte, lässt sich das nicht vergleichen, stimmt. Aber man hätte das Frühstück mit dabei…

  6. Claudia Sperlich Says:

    Ein sehr interessanter Artikel mit aufschlußreichen Links.
    Mir stellt sich (nicht zum ersten Mal) die Frage: Welcher sonderbare Zufall ist schuld, daß von zwei in der gleichen Zeit lebenden, ähnlich handelnden, sprechenden und denkenden Menschen der eine (Franziskus) heiliggesprochen und der andere verketzert wurde?
    Manchmal denke ich, Gott sollte in Gestalt einer dicken Mama aus Zilles Milljöh daherkommen und seinen Hammeln – pardon Schäfchen – sagen: Vertragt euch, sonst gibts keinen Pudding.

    • theomix Says:

      Das mit der Zillemama finde ich sehr „zielführend“. Vor allem, weil es auch mal ein Beitrag zum weiblichen Gottesbild ist.

      Ich habe auch öfters darüber nachgedacht,. Franziskus hatte das Glück, einen kirchlichen Fürsprecher zu haben. So ließ sich diese Bewegung haarscharf gerade noch unter dem große Dach der Kirche nieder.
      Petrus Valdus und Co entbehrten diese Unterstützung und gingen einen feurigeren Weg.

  7. Frau Momo Says:

    Das merke ich mir, denn nach Rom möchte ich unbedingt gerne auch noch ein drittes und viertes Mal, allerdings nicht wegen Benedikt, sondern weil ich die Stadt so liebe.
    Und eine kleine Minderheitenkirche unterstütze ich natürlich gerne, wenn auch sicherlich nicht jede.

    • theomix Says:

      Rom lohnt sich immer. Und das Hotel auch. Es ist natürlich profan genug, nur dezente Faltblätter usw. zu den Waldensern anzubieten. Und ganz großspurig behaupte ich mal, wir könnten bei Interesse auch Kontakte vermitteln…

  8. ig Says:

    Vielen Dank! An das Zentrum AGAPE habe ich auch nur gute Erinnerungen.
    Und die Waldenser – mutig und stark:
    Vor einigen Jahren haben mich Freunde von Neapel aus zu einem Urlaub in Kalabrien eingeladen. Sie brachten mich nach Guardia Piemontese, wohin Waldenser vor Verfolgungen geflohen waren: doch auch dort hatte es schlimme Massaker und Zwangskonversionen zum Katholizismus gegeben, an die noch heute die „Porta del Sange“ erinnert. Wir trafen in dem Ort auf recht viel Ignoranz. Keiner im Café wusste zum Beispiel, warum man die Kirche auch heute noch „tempio“ nennt, und was „evangelisch“ bedeutet. Schade.
    Doch interessanterweise ist das immer noch eine Sprachinsel mitten im kalabrischen Bergland, in dem ein okzitanischer Dialekt gesprochen wird.

    Und ihr habt recht, warum so viel Kraft und Energie auf das Auseinanderdividieren verschwenden, wenn wir doch die Energien bündeln könnten und kreativ Zukunft gestalten. Dieser schöne Spruch: „Let’s agree to disagree“ könnte doch auch für all die kleinen christlichen Groß/Klein/Splitter/Bunt/rechts/Linksgruppen gelten – und dann ganz pragmatisch aber nicht naiv weiter im Text.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Guardia_Piemontese
    und für Italienisch sprechende: http://www.comune.guardiapiemontese.cs.it/index.php?option=com_content&view=article&id=57&Itemid=94&lang=it

    • theomix Says:

      Danke für die Hinweise!
      Und das andere: Gelassenheit gehört irgendwie auch dazu…

    • Wolfram Says:

      Daß das Bethaus nicht Kirche genannt wird, hat einen einfachen Grund: man möchte nicht ein totes Gemäuer verwechseln mit der lebendigen Kirche, der betenden Gemeinde, die Leib Christi ist.
      Ein Bethaus ist ein Gemäuer. Kirche lebt und ereignet sich.
      Wenn man zur Kirche geht, geht man eben zu lebendigen Menschen.

      Den Begriff Tempel finde ich allerdings äußerst unglücklich gewählt. Und ich weiß noch nicht, auf wen er eigentlich zurückgeht…

      • rote Gräfin Says:

        Das ist eine wunderbare Erklärung.
        Aber gleichzeitig zeigt es auch, dass der Mensch immer in Versuchung ist, etwas in Stein zu meißeln wie bei den 10 Geboten, die Moses vom Berg Sinai mit bringt und bei der Entdeckung dass das Volk um das goldene Kalb tanzt wütend zerschlägt.
        Dann tauchen sie merkwürdiger Weise in der Bibel wieder auf.

        • theomix Says:

          Die erzähler der Bibel sind weise genug, das zu wissen. Deshalb sei es Gott selbst, der die schrift in den stein gemeißelt habe, bei der ersten wie bei der zweiten auflage.

        • rote Gräfin Says:

          Da lobe ich mir doch den Gott, der uns das Herz aus Stein raus reißt und uns ein Herz aus Fleisch gibt.
          Gesetze aus Stein erschlagen viel zu schnell das Kleine und Schwache.

        • theomix Says:

          Lob ich mir auch.

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