Gut, dass wir Bänke in den Kirchen haben. Und wie schön wäre es, wenn wir sagen könnten, wir verdanken sie dem Heiligen Eutychus.
Ein Sankt Eutychus wäre ein Schutzheiliger des Kirchenschlafs geworden. Aber zum Heiligen hat er es nicht geschafft. Wohl aus Platzmangel und Enge auf der selbstgedachten Balustrade sitzen, in muckeliger Wärme einschlafen, herunterfallen und vom Verursacher des tödlichen Schlafs wieder zum Leben erweckt zu werden – das reicht nicht zum Heiligen.
Überhaupt ist die Geschichte durch das Raster strenger Liturgien gefallen. Die Episode des Eutychus hat es nicht in die Perikopenordnungen geschafft. Auch wenn bei der letzten Revision 1978 mehrere Stunden Predigt schon lange aus der Mode gekommen waren.
Warum ich den Kirchenschlaf so positiv sehe? Ich liebe ihn. Denn ich bin ein schlechter Predigthörer: oft schweifen meine Gedanken ab. Als Predigtprofi wird man anspruchsvoll; und wenn du dann mal unter einer Kanzel sitzt, willst du schon was Ordentliches. Wenn das nicht kommt, sssst, sind die Gedanken weg. Ich könnte dann selten ein ordentliches Feedback über Aufbau und Struktur so einer Predigt geben. Was soll’s? Hinterher fühle ich mich frisch und erholt, habe vielleicht selbst neue Predigtideen bekommen oder eine schöne Phantasiereise unternommen.
Nun heißt es ja, den meisten heutigen Menschen ginge es ähnlich, sie könnten nicht mehr lange zuhören. Im Radio werden die Andachten immer kürzer, lange Sinneinheiten sind nicht mehr zuzumuten. Ist das so? Womöglich auch bei der eigenen Gottesdienstgemeinde? Meine eigene Unvollkommenheit macht mich gnädiger mit den ZuhörerInnen. Heute sitzen wir ja sicher auf dem Stuhl oder in der Kirchenbank. Nicht immer bequem, aber ohne Verletzungsgefahr.
Und vor meinem geistigen Auge entsteht eine „meditative Predigtlehre“: Die Gegenwart ist hektisch, Achtsamkeitsübungen und Meditation sind wichtig geworden. Eine Viertelstunde Wortbeitrag, von ein- und derselben Stimme, ohne Musikbett: Damit bieten wir jeden Sonntag an, die Gedanken schweifen zu lassen. Wo um alles in der Welt kriegt man das sonst so günstig und einfach geboten?
Ich predige gerne, ich möchte etwas mitgeben mit meinen Worten. Gut. Doch wer will den Geist Gottes einschränken? Wenn meine Worte beflügeln – und vielleicht nur die Phantasie – warum sollte der Heilige Geist nicht den Umweg des inneren Abtauchens wagen? Der Weg des Eutychus führte vom Schlaf ins Leben zurück. Ist das so viel anders bei den Menschen des 21. Jahrhunderts?
Andacht über Apg 20, 7-12 beim regionalen Pfarrkonvent am 11. 9. in Asbach
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