Lieblingsaphorismen – 4

Wer hindert uns eigentlich daran,
das zu tun, was wir von anderen erwarten?

Kurt Martin Magiera

In den Achtzigern bin ich sehr viel mit der Bahn  gefahren. Es gab einige wenige Werbeflächen. Und dort, wo  niemand warb, hatte die Bahnwerbung kluge Sprüche hingesetzt. So habe ich dieses Wort recht häufig meditiert.

Ich fand es je länger desto besser. Denn auf die Länge der Zeit bin ich häufig Menschen begegnet, die genau wussten, was ich beruflich jetzt tun müsste: Mehr für die Alten, sagten die Senioren, mehr für die Jungen, sagten die jungen Eltern. Da war dieser Spruch eine gute Hilfe: Und  was möchtest du tun?

Was möchtest du tun? Antwort war meist, ich möchte doch nur Anregungen geben. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich gesagt: Pfarrerinnen und Pfarrer leiden nicht unter Mangel an Anregungen. Es fehlen aber oft genügend Menschen, die sagen: „Hier bin ich, ich mache gerne mit.“ Oder: „Ich habe die und die Idee. Wie kann ich es wann und wo mit deiner Hilfe umsetzen?“ Herzlich willkommen!

Und wer ist nun Kurtmartin Magiera? Es gibt kaum etwas über ihn, keine Quellenangabe unterfüttert das Zitat. Noch nicht einmal bei Wikipedia ist er zu finden. Einzig das Lexikon westfälischer Autorinnen und Autoren verrät etwas über ihn: 1928 in Liegnitz geboren, erst Verwaltungsbeamter, dann Feuilletonredakteur, 1975 in Minden gestorben. Diese recht kurze Lebenszeit reichte für den Eichendorff-Literaturpreis 1960. Diese Erkenntnis hilft nicht viel weiter, da seine Werke kaum mehr erhältlich sind. Aber getreu dem Aphorismus will ich die Arbeit ja nicht auf andere abschieben…

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31 Antworten to “Lieblingsaphorismen – 4”

  1. mialieh Says:

    Ja, ein kluger Spruch. Allerdings muss ich sagen, finde ich es immer sehr aberwitzig, wenn ein Anbieter seinem Kunden solche Weisheiten mit auf den Weg gibt. Z.B.: ich erwarte von den anderen (den Bahnbetreibenden), dass sie mich pünktlich ans Ziel bringen. Kann ich als Bahnkunde dafür sorgen, dass ich pünktlich ans Ziel komme? Doch nur, wenn ich mit dem Auto fahre (hehe :-P).
    Oder: Ich erwarte von meinen Kindern und meinem Mann, dass sie mir im Haushalt helfen. Wenn sie mir da mit so einem Spruch kämen: oh, oh, oh!

    Ich habe mal über einer Bäckerei gewohnt, die hatte ein geschnitztes Schild an der Wand: „Altes Brot ist nicht hart. Gar kein Brot, das ist hart.“ Darüber habe ich mich immer lustig gemacht, weil ich meinte, das sei eine Entlastungsfigur für das (zugegebenermaßen) trockene Brot, was es dort gab.

    • theomix Says:

      Für mich war und ist das ein Lückenbüßer. Oder ist die technische Entwicklung – man muss sich jetzt alles selbst bei der Bahn besorgen, das Ticket, die Reservierung, den Sitzplatz – eine Konsequenz dieses Spruchs?

    • Wolfram Says:

      Doch, als Bahnkunde kannst du etwas dafür tun, pünktlich anzukommen: beim Einsteigen. Indem du frühzeitig da bist, ggfs. deinen Wagen schon mal suchst (bzw. seinen Halteplatz) oder dich dahin stellst, wo nicht so viele Leute einsteigen wollen, indem du nicht lange die Türen blockierst, weil du dich noch verabschieden mußt oder weil du sieben Koffer mitnimmst (man kann die immer noch aufgeben, auch wenns schwieriger geworden ist und Geld kostet), indem du nicht an jedem Haltepunkt aussteigst und eine Zigarette rauchst, und der Zugführer muß in jedem Fall warten mit seinem Abfahrpfiff, bis alle drin sind… so kommen Verspätungen zustande.

      Und irgendjemand hat mal gesagt: einen Faden durch ein Loch schieben geht nicht. Den muß man ziehen.
      Wer immer nur von anderen fordert, wird nicht weit kommen; wer mit gutem Beispiel vorangeht, erreicht wesentlich mehr.

  2. onebbo Says:

    „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“, kenne ich als Sprichwort. Finde ich unter Einbeziehung von Mialiehs Gedanken immer noch sinnvoller. Denn: Ich erwarte z.B. von meinem Zahnarzt, dass er wenn nötig meine Zähne aufbohrt. Ich denke, er würde es nicht sehr begrüßen, wenn ich das umkehren würde 🙂

    • theomix Says:

      Ich habe den Spruch nie so verstanden. eher o auf normal zwischenmenschlichem Niveau, dass mir jemand – möglichst unerbeten – Ratschläge gibt, „was ich immer schon mal sagen wollte“.
      Die Kompetenz der Experten muss abrufbar, bewertbar sein. Und ich will gar nicht besser als mein Bäcker, Zahnarzt oder Elektriker sein. die sollen ihre Arbeit gut machen. Aber denen mal so richtig ein paar Anregungen geben, wie sie ihre Sache richtig toll machen können… da muss das Fingerspitzengefühl auf der Zunge liegen. Oder ich lass es lieber erst mal…

  3. Sylvia Says:

    Weil es mir vielleicht an Möglichkeiten mangelt ? 😀

    Ich denk es gilt zu unterscheiden, ob ich mir etwas erwarte wie z.B. von einem Handwerker, das ich selber nicht imstande bin zu erledigen – wir sind ja alle keine Wunderwuzis – oder ob ich etwas von meinem Gegenüber erwarte/einfordere, das Eigentlich ich machen sollte und es im Sinne einer *Übertragung* auf den anderen projiziere.

    Und bös werde, wenn der es nicht tut. Weil ich im Grunde genommen auf mich selber bös bin und die heiße Kartoffel einfach weiterschupfe.

    Das Zauberwort heißt vielleicht: Klarheit in sich schaffen –

    warum erwarte ich mir das von jemand anderen ?

  4. Erika Says:

    Lieber Jörg,
    mir ist ein Bibelzitat eingefallen dazu

    Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch (matthäus 7,12)

    wenn ich was vom anderen erwarte muss ich auch bereit sein es gegengleich zu tun
    wobei es verschiedene erwartungshalten gibt , eine anregung ist ja noch keine erwartung, oder aber doch eine versteckte ?
    ich glaube dass es in manchen berufen es gegeben ist dass vorschläge gemacht werden, die in erwartungen umschlagen ???
    da wäre das zitat als gegenargument angebracht…..
    ich kenne das aus erzählungen meiner schwägerin, die gemeindereferentin ist, dass die leute immer mehr und anderes erwarten, sie steht da drüber, dafür bewundere ich sie, das ist immer so, aber einbringen wollen sich diese menschen auch nicht, das ist auch so….
    nachdenkliche grüße
    erika

    • theomix Says:

      es ist so ein bisschen „Nächstenliebe um die Ecke“:
      „Mensch, da liegt einer röchelnd auf dem Boden Nun geh mal hin und hilf richtig, heb ihm den Kopf, leg ihn in die stabile Seitenlage“ Und und… Warum macht es die redende Person nicht selbst?
      Es gibt Lebensbereiche , da trifft dieser Aphorismus den Nagel auf den Kopf, oder mitten ins Herz…

  5. tmp Says:

    Ich glaube aber, dass es wirklicher Liebe zum anderen entspricht, wenn man für ihn die Dinge tut, die er – aus welchen Gründen auch immer – selbst nicht tut oder trun kann… 😉

    • theomix Says:

      Das ist wohl wahr.
      Aber es entspricht wirklicher Liebe,w enn ich das einem anderen nicht um die Ohren schage.
      (Nein, nein, der Spruch mit der Wahrheit, dem Mantel hinhalten und dem nassen Waschlappen um die Ohren ist NICHT von Lichtenberg. Er ist aber trotzdem sinnvoll.)

  6. freidenkerin Says:

    Viele Anregungen entstehen lediglich aus dem Bedürfnis, die Aktivität, die Verantwortung, auch das sogenannte Soziale Gewissen auf andere ab zu schieben, anstatt selber die Initiative zu ergreifen, sich an der eigenen Nase zu packen, die Ärmel hoch zu krempeln und etwas zu TUN, anstatt zu reden.

  7. Elisabeth Says:

    Wie wahr, lieber Jörg…
    Wir brauchen Menschen, die etwas TUN, nicht nur reden… und die das selbst zu geben bereit sind, was sie von anderen erwarten…
    Herzliche Grüße, Elisabeth

  8. limportant Says:

    Wer hindert uns eigentlich daran,
    das zu tun, was wir von anderen erwarten?

    Eigentlich niemand – solte man meinen – und die Welt wäre besser.
    Ich selbst lebe und agiere – leider nur meistens – nach dem Umkehrschluß: Ich kann nur das von den Anderen erwarten, was ich selbst auch tue.

  9. Gestern vor 10 Jahren | Theomix Says:

    […] https://theomix.wordpress.com/2010/06/16/lieblingsaphorismen-4/ […]

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