Wie das Herz dazukam

Im vorletzten Jahr war mein Deputat an Fortbildungen noch nicht ausgeschöpft. Was nehmen? Ach, mal was Exotisches.“Heilungsgebet und Gebetsheilung“. Schaden kann es ja nicht. Man hört viel davon, wird sicher ganz nett.Die Referentin war lange Jahre in China gewesen und hat heilende Gemeinden kennen gelernt. Sie hat sich mit pfingstlerischen Kirchen beschäftigt, dort vielfach angefreundet. Und dann waren Vertreter von Migrantenkirchen dabei, eher pfingstlerisch angehaucht. Aber so was von klar im Kopf. Und das ist mir ja ein wichtiges Kriterium, dass der Kopf nicht berauscht wird. Das hat einen Kanal geöffnet, der verschüttet war.

Pfingstlerisch: Von den Pfingstkirchen beeinflusst. Deren Gottesdienste  zeichnen sich aus durch Ekstase, Dämonenaustreibungen und Heilungen.

Meinem Kopf, einem halben Agnostiker, musste ich gut zureden. Das Herz ist seither „freigelegt“: einfach mal vertrauen, glauben, predigen, die Hand auflegen, auch wenn der Kopf fragt und mäkelt. Das geht. Ein bisschen schizoid, mag sein, aber mir geht es gut damit.

Seither kann ich in entsprechender Stimmung über Gott und die Welt herumwitzeln –  und quasi im nächsten Moment weggehen, um  zum „lieben Vater im Himmel“ zu beten, als gäbe es keine Theodizee-Frage, keinen Nihilismus oder andere Infragestellungen. Also, das Leben ist seither sehr bunt und farbig geworden.

Ich bin weiterhin Kopfmensch. Wenn man nicht Fragen stellen darf, dann ist es nichts für mich.

Aber das Herz kommt zum Zuge: das,was in der Bibel steht, so für mich übernehmen, dann und wann. Das geht jetzt auch. (Siehe mein spiritueller Espresso.)

Kopf und Herz vertragen sich. Besser als ich erhofft hatte.

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21 Antworten to “Wie das Herz dazukam”

  1. mialieh Says:

    Mir geht es ähnlich. Vielleicht zweifle ich noch ein gutes Stück mehr an der Gottesfrage. Aber daneben kann ich auch gut in die Kirche gehen oder Stoßgebete (zum Himmel?) senden, die sowohl bitten als auch danken. Und manchmal haben Herzensangelegenheiten für mich auch ncihts mit Gott zu tun, sondern mit anderen Formen der Spiritualität. Den Strukturalisten ist ohnehin klar: jeder braucht Religiosität, um die Ungewissheit des „Wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich“ (eine dreifaltige Frage) zu kompensieren.

    Und die kritischen Theoretiker kritisieren gerade das Nur-Verkopft sein, machen es verantwortlich für die Völkermorde, weil durch alleinige Rationalität alles und jeder versinglicht wahrgenommen wird (entfremdete Arbeit und so). Es geht ihnen eben auch um eine Balancierung von Mimesis und Ratio (vielleicht das, was du Kopf und Herz nennst?).

  2. Muriel Says:

    Ich will hier nicht den Atheistentroll machen, mich interessiert ganz aufrichtig, wie man beim Thema Gebetsheilung mit Gläubigen umgeht, die das statt medizinischer Behandlung versuchen wollen. Rät man denen dann, trotzdem zum Arzt zu gehen? Und falls ja, wie erklärt man ihnen, warum?

  3. Erika Says:

    Lieber Jörg,

    schön, dass Dein Herz zum Zuge kommt, das spürt man auch.
    Ich finde es auch gut, dass Du den Kopf mit einbeziehst.
    Denn nur Herz, kann so herzzerreißend sein
    und nur Kopf, das gibt so viel Spannung
    wie immer ist die Balance wichtig.
    Schön, dass Du Dein Herz sprechen lässt , sei es auch manchmal mit Worten aus dem Kopf, aber sehr herzlich
    Ich wünsche Dir noch viel Farbe für Dein buntes Leben
    herzliche Grüße von Erika

  4. theomix Says:

    @mialieh:
    Mehr Licht, mehr Schatten.
    Mehr Schatten, mehr Licht.
    Es gibt Herzensangelegenheiten, die richten sich nicht an Gott. Aber Gott ist für mich mittlerweile ganz klar eine Herzensangelegenheit.

    @Muriel:
    Wo die Gebetsheilung häufig passiert (China, Afrika, Lateinamerika), ist das Gesundheitssystem so am Boden, dass Gebete eine gern gesehene Alternative werden. Auch im nichtchristlichen Bereich gibt es dann Heiler, Schamanen usw.
    (Am Rande: Wir kriegen unser Gesundheitssystem auch noch kaputt,vielleicht nehmen dann auch hier die Heilungen zu.)
    Natürlich, Psychosomatik – vom Kopf her kann ich dieser Erklärung nicht widersprechen.
    Wenn man Gott hinter allem sieht, heilt er Kopfweh auch dur Einnahme von ASS.
    Ich bevorzuge den Unterscheid zwischen „gesund“ und „heil“.
    Heilung geht für mich tiefer als „gesund werden“. Wobei Gebete auch an der Heilung vorbeigehen können.

    @Erika:
    Dank dir für diese herz-liche Rückmeldung. Nach so langer Zeit musste ich den ganz wichtigen Asnstoß zu deisem Blog kundtun. Schön, dass es richtig bei dir angekommen ist! Und Danke für die guten Wünsche! Was wäre der Blog und sein Autor ohne Aufmunterungen in den Kommentaren, auch von deiner Seite!
    Herzlich: Jörg

  5. Muriel Says:

    @theomix: Natürlich kriegen wir unser Gesundheitssystem auch noch kaputt, aber meine Frage hast du jetzt eigentlich nicht beantwortet, oder habe ich nur nicht richtig gelesen?

  6. theomix Says:

    Eigentlich schon.
    Da, wo das System am Boden ist, gibt sich das Gebet als „Alternativmedizin“. Auch bei uns kommen die Alternativen meist erst, wenn die konventionelle Medizin am ende der Weisheit ist.
    Auch die beiden letzten Absätze meines Kommentars geben 2 mögliche Deutunsgrichtungen, warum es sich nicht widersprechen muss.

    In den USA gibt es „Healing Centers“ von Pfingstlern und charismatischen Kirchen. In denen gehören Pastoren, Ärzte und Therapeuten zum Team und bemühen sich um Heilung und Gesundheit.
    Also explizit. Da ist kein Widerspruch.

    Ich habe damals „gelernt“: Die Gebetsheilung ist eine Sache der Gemeinde/Gemeinschaft. Nicht Wundertäter, nicht sakralisierte Materie.
    In meinen Worten: Kopf wird nicht gegen Herz ausgespielt. Natürlich braucht es Ärzte. Es geht auch um eine Kompetenz im medizinischen Bereich, und die ist in diesem Beruf häufiger als beim Querschnitt von Gottesdienstbesuchern.

    Außerdem sind die Gebete und Handauflegunegn ohne Erfolgs-Garantie. (Das verbindet sie mit dem medizinischen Betrieb…)
    Jetzt beantwortet?

  7. Lilo Says:

    Einfach glauben ohne Fragen stellen zu dürfen, ist für mich auch nichts.

    Bevor ich Kinder hatte, habe ich häufig darüber nachgedacht, ob es Gott denn nun gibt oder nicht und was der Sinn hinter all dem ist. Ist es überhaupt wichtig, ob es ihn gibt oder nicht? Egal wie oft ich auch darüber nachgedacht habe, es hat zu keinem Ergebnis geführt. Das einzige was ich weiß ist, dass ich im Grunde gar nichts weiß. Und momentan kann ich damit ganz gut leben.

    Kurz vor meiner Kommunion damals habe ich unserem Pfarrer und auch meinem Vater oft die Frage gestellt, warum ich überhaupt in die Kirche gehen soll und warum ich zur Beichte muss. Die Antwort darauf war: „Weil sich das so gehört.“ – Für mich keine befriedigende Antwort und seither bin ich auch nur noch zu besonderen Anlässen in der Kirche. Zur Weihnachtszeit (die einzige Zeit in der ich als Kind gerne in die Kirche gegangen bin, denn dann ist auch meine Mutter mitgekommen), bei Hochzeiten, etc.

    Was ich von Heilung durch Handauflegen halte… wer weiß, vielleicht funktioniert es ja. Wissen tu ich es nicht. Und das ist auch ganz in Ordnung so

    Liebe Grüße
    Lilo

  8. werner Says:

    Das „Heil“ in der Zuwendung zu sehen und dabei oft genug auch Gesundung zu erreichen oder wenigstens zu fördern, macht Ärzte sicher nicht überflüssig und arbeitslos.
    Auf der anderen Seite gibt es genügend Beispiele und Studien, in denen deutlich wird, dass Ärzte oft eigentlich einen recht geringen Anteil daran haben, dass Krankheiten überwunden werden bzw. dass sie es nur verstehen müssen, Selbstheilungskräfte zu mobilisieren und sei es nur durch die Verschreibung von – na wie heißen die denn noch mal diese wirkstoff-losen Ersatzmedikamente?
    Das bewirkt sicher nicht bei allen Krankheiten eine Heilung, aber der Glaube an die moderne Medizin ließ oft genug vergessen, dass es Zusammenhänge gibt, die wir nicht erklären können (und auch nicht unbedingt erklären müssen.)
    Wir tun uns schwer das Wort „Wunder“ zu gebrauchen, aber warum eigentlich sollen wir uns nicht ab und zu wundern dürfen über Dinge, die uns zufallen ohne dass wir sie erklären können?
    Ist es denn wichtig, ob wir das dann der menschlichen Zuwendung durch Ärzte, durch Seelsorger, durch Menschen aus unserer Umgebung oder dem Wirken Gottes zuschreiben?

    Werner

  9. theomix Says:

    @Lilo:
    Ob es funktioniert,w eiß ich auch nicht. Es selbst zu tun, das hand auflegen, ist schön. eine normale evangelsiche gemeinde ist sicher nicht darauf vorbereitet, dass dort heilungen passieren.
    Lebe gut damit! Die fargen sind wichtig, und der kopf kann auch „glauben“, anders als das herz. Skepsis ist da für mich integriert, selbst zweifel. Eine religion, die das nicht aushält, ist arm dran.
    Und das herz findet seine weg…

    @werner:
    Ich mene, du bechreibst den weg „vom kopf zum herz“. Mit denken und fragen lässt sich nicht alles ergründen. Und das, was geschieht, einfach mal so als wunder deuten, dagegen habe ich nichts einzuwenden…
    Was das herz erfährt, sind keine placebos, da bin ich mir (fast) sicher.

  10. elisabeth Says:

    Lieber Jörg,

    und der Kopf ist so müde geworden
    und die Sehnsucht so groß
    nach Erfüllung
    Gott trägt alles in sich. Schön so oder?
    liebe Grüße
    elisabeth

  11. theomix Says:

    Liebe elisabeth,
    ja, so ist es. „Schön“ ist eines meiner lieblingsworte geworden, wenn ich etwas kommentiere, was mir gut gefällt. „Gott ist das Größte, Das Schönste und Beste, Gott ist das Süßte und Allergewisste, aus allen Schätzen, der edelste Hort.“ Da ist die Sehnsucht fast erfüllt.
    Schön so.
    Mit Grüßen von Paul Gerhardt ganz herzlich: Jörg

  12. klanggebet Says:

    Lieber Jörg,
    vor 18 Jahren war ich mal in einem Pfingstgottesdienst, als ein für jene Fraktion bekannter Pfarrer in Hamburg zu Gast war. Ich ging da also hin, weil diesem Mann sein Ruf voraus eilte als ekstatischer Gebetsheiler und nach einigen Minuten begannen alle in der vollgestopften Kirche in Zungen zu reden. Ich stand da ehrlich wie vom Donner gerührt. Nicht weil mich das auch ergriffen hätte. Sondern weil ich offenbar die einzige war, die das nicht ergriff. Augenrollende seltsame Dinge säuselnde Menschen standen da überall, und Kranke liefen nach vorn und wurden angestupst. Ich fragte mich die ganze Zeit ob ich die einzig kaltherzige sei, da es mich so kalt liess, oder ob alle verrückt geworden seien. Es war wirklich eine so skurrile Erfahrung. Und die hatte ich total vergessen. Bis ich Deinen Artikel gerade las. Schwupps, war es wieder da. 😉

    Kopf und Herz müssen versöhnt sein. Das ist auch für mich wichtig, und nicht einfach, da ich (immer noch) eine unverbesserliche Intellektuelle bin. In dem Sinne, dass es immer noch eine Versuchung für mich ist, erst mal alles zu Tode zu studieren. Aber ich lerne 🙂

    Aber wenn man ein Kopfmensch ist, freut man sich um so mehr über die erreichten Momente der Versöhnung von Kopf und Herz, nicht wahr? 🙂 geht mir wenigstens so.

    Danke und sei herzlich gegrüßt
    Giannina

  13. werner Says:

    @ gianna

    Mir gings so ähnlich vor Jahrzehnten, auch da war ich in einem „charismatischen“ (kath.) Gottesdienst. Es war zwarncith so extreem wie das von dir geschilderte Treiben, aber die Richtung wars auch irgendwie und auch für mich war das unverständlich und nicht recht mit zu vollziehen.
    Aber man wird älter (und vielleicht reifer?)
    Und da bekommen manche religiösen Praktiken mit der Zeit einanderes Gesicht.

    Vielleicht ist das mit der Wirkung von religiösen Praktiken dieser Art wie mit Allergien. Der eine ist sensibler dafür und der andere kann gar nicht verstehen, warum der andere was spürt und er nicht – obwohl beide den gleichen Einflüssen ausgesetzt sind.

    Ich binjednefalls da inzwischen viel toleranter geworden, wenn jemand meint solche Gottesdienste zu brauchen.

  14. theomix Says:

    @klanggebet:
    Liebe Giannina,
    ob’s von Vorteil ist? Ich habe noch nie an so einem Gottesdienst teilgenommen. Mich überzeugten aber die Vertreter diese Richtung durch den klaren Kopf, den sie in den Diskussionen zeigten.
    Ich finde Kopfmensch sein mittlerweile gut. Weil es so vieles gibt heutzutage, was einen benebelt oder zumüllt. Da einen klaren Kopf zu behalten ist eine wichtige Gabe.
    Herzlich und kopflich grüßt: Jörg

    @werner:
    Wie G. geschrieben, ich habe es nch nicht erlebt. Die Referentin damals war auch eher angetan von Pfingstlern inn den Kontinetnten des Südens. In Deustchland ist die Richtung eher tiefkonservativ einzuschätzen. Der befreienede Aspekt kommt da zu kurz.

  15. Muriel Says:

    @theomix: Ich nerve ja nicht gerne, aber eigentlich wollte ich gerne wissen, ob ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ein Heilgebet keine medizinische Behandlung ersetzen kann, und falls ja, wie das formuliert wird.
    Ich glaube ja gern, dass das ganz harmonisch läuft und dass niemand dadurch geschädigt wird, aber mich interessiert, wie die Heilbeter das eigentlich machen.

  16. theomix Says:

    Ich befürchte, ich kann deine Fragen nicht befriedigend beantworten.
    Die Fortbildung wollte dafür werben, dass so etwas unter Gottes weitem Himmel vorkommt und theologisch legitim sein kann. Es ging nicht um ein interdisziplinäres Gespräch Medizin-Theologie.
    Wir sahen als praktische Anschauung Video-Ausschnitte von einer Heilung mit Richard Bonnke. Es war aus Afrika, aus einer Gegend, in der nicht so viele Ärzte vorhanden sind. Die Referentin hatte zuvor die Texte des Heilungsgebetes mit uns diskutiert, dann sahen wir das Video. Wir bekamen bewusst den Namen des Autors vonenthalten, denn Bonnke ist in landeskirchlichen Kreisen nicht gerade beliebt.
    Nochmal der Hinweis auf die „Healing Centres“: Zusammenarbeit von konventioneller Medizin und charismatischer Theologie.
    Mehr weiß ich nicht.

  17. freidenkerin Says:

    Jaaaa! Ach, ist das wundervoll! Gott IST ohne Zweifel eine Herzensangelegenheit! Und wie herrlich – aber bisweilen auch sehr schmerzhaft und aufwühlend – wenn beides arbeitet, Kopf und Herz! 😀

  18. theomix Says:

    Bis zu „schmerzhaft“ bin ich bisher nicht oder nur selten vorgedrungen. Beide vertragen sich, auch wenn sie unterschiedlich sprechen können…

  19. Hao Says:

    Grundsätzlich kann ich dem zustimmen. Leider habe ich bis jetzt nur Hardcorecharismatiker kennengelern, die krank waren und hinter jedem Busch ein Dämon sahen. Wenn der Kopf ok ist, kommt der Bauch hinzu. Ist am im Kopf nichts, endet alles Übergeistliche im Fleisch, in Vorwürfen und Beleidigungungen, die bis zur Verfluchung reichen. Da liegt eine leidvolle Geschichte hinter mir, über die ich eigentlich mal ein Buch schreiben sollte.

    • theomix Says:

      Die „Migrantenkirchen“ sind wahrscheinlich ein wichtiges Kriterium, denn die haben oft etwas Unverbrauchtes, Frisches. Auf dieser Tagung hat niemand einem anderen den Glauben abgesprochen…

  20. Kommt ZEIT, kommt Rat? « Theomix Says:

    […] kann ihn von Herzen bejahen, geht er doch in Richtung meiner Erfahrungen. Und ich erinnere mich, die Referentin dieser Tagung ”Heilungsgebet und Gebetsheilung” empfahl […]

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